Geschichte

Die Besiedelung Korsikas begann vermutlich schon in der Altsteinzeit. Bestätigt wird dies durch den Fund eines Frauenskeletts 1972 in einer Höhle bei Bonifacio, dessen Datierung ein Alter von ca. 8570 Jahren ergab. Wie die "Frau von Bonifacio" waren die Ureinwohner Korsikas Nomaden, die vermutlich vor rund 9000 Jahren aus Italien einwanderten. Sie lebten in Höhlen und ernährten sich von Jagd und Fischfang sowie dem Sammeln von Beeren und Obst.

Etwa 1000 Jahre später, zu Beginn der Jungsteinzeit, wurde die Menschen seßhaft. sie begannen, das Land zu beackern und Viehzucht zu treiben. In dieser Zeit entwickelte sich vermutlich auch schon die transhumance (saisonaler Weidewechsel des Viehs).

Aus Kleinasien und dem ägäischen Raum wanderten um 3500 v.u.Z. die geheimnisvollen Megalith-Völker ein. Sie hinterließen vielerorts Dolmen und Menhire. Die älteren sind alleinstehend, danach folgten Gruppen Gruppen aneinandergereihter Steine (Alignements). Ursprünglich grob gehauene Steine erhielten menschenähnliche Formen und später sogar kriegerische Merkmale. Diese Megalith-Völker wurden jedoch ab 1600 v.u.Z. zunehmend durch die kämpferischen Torreaner verdrängt. Deren Herkunft ist unbekannt, benannt wurden sie nach den von ihnen zurückgelassenen torre (=Türme), festungsartig erreichtete Turmbauten.

Auf der Flucht vor Angriffen des Mederkönigs, landete 565 v.u.Z. der griechische Volksstamm der Phokäer an der Ostküste und errichtete dort eine rasch erblühende Kolonie: Alalia (das heutige Aléria). Das Glück der Phokäer währte aber nicht lange, denn 30 Jahre später wurden sie von Etruskern und Karthagern schon wieder vertrieben.

Als die Römer 259 v.u.Z. auf der Insel landeten, verschanzten sich die Insulaner im Binnenland und sollten sich erst nach 40 Jahren bitterer Kämpfe geschlagen geben. Während der über 500 Jahre währenden römischen Herrschaft erlebte Korsika relative Stabilität und Wohlstand. Dem wurde ein Ende gesetzt, als im Zuge der Völkerwanderung Vandalen, Ostgoten, Byzantiner und Langobarden die Insel überrannten. Hinzu kamen zahllose brutale Sarazenenüberfälle.

Der Bevölkerung blieb nur der Rückzug ins Inland, wo sich ein unabhängiges Bauern- und Hirtenvolk entwickelte. Nachdem eine Koalition zwischen Pisa und Genua zu Beginn des 11. Jh. die Sarazenenplage endlich beenden konnte, beauftragte 1077 Papst Gregor VII. Pisa mit dem Schutz Korsikas. Pisa begann nun mit einem massiven Kirchenbau und schaffte eine politische Neuordnung auf der Basis der pievi (Pfarrgemeinden). Ruhe kehrte auf der Insel dennoch kaum ein, denn die mächtigen Inselclans waren untereinander hoffnungslos zerstritten, und außerdem stellten auch die Genueser zunehmend eigene Ansprüche an Korsika. Militärische Auseinandersetzungen mit Genua waren die Folge. Den Höhepunkt bildete die Seeschlacht von Meloria 1284, bei der Pisa nicht nur eine deutliche Niederlage erfuhr, sondern auch Korsika verlor.

Genua hatte jedoch nicht mit Papst Bonifaz VIII. gerechnet, dem das aufstrebende Genua ein Dorn im Auge war. Er übertrug Korsika 1297 lieber an das Königreich Aragon. Ein weiterer territorialer Krieg entflammte - die Auseinandersetzungen zwischen Genua und Aragon sollten 150 Jahre anhalten.

Dieser neue Konflikt, in dessen Kämpfe auch die verfeindeten korsischen Clans hineingezogen wurden, war Anlaß für den heutigen Volkshelden Sambucuccio d'Alando aus dem Bozio, 1358 die Bauern in einen Aufstand gegen die Unterdrückung der Adligen zu führen. Die aufgebrachten Bauern vertrieben die Feudalherren aus Ostkorsika und bewirkten, das sich dort, im Pumonte, ein freies Bauerntum durchsetzen konnte. Der Westen, Cismonte, blieb dagegen noch jahrhundertelang in der Hand der Feudalherren.

Der genuesischen Periode entstammen viele malerische, oft noch heute benutzte Brücken. Ein weiteres Relikt aus der Zeit der Genueser sind die torri, Wachtürme rund um die Insel, deren Besatzungen sich durch Feuerzeichen untereinander verständigen konnten.

1553 eroberten französische Truppen, angeführt durch den korsischen Freiheitskämpfer Sampiero Corso, fast die ganze Insel. Zum Verdruß der Korsen mußte Frankreich die Insel jedoch 1559 wieder an Genua abtreten. Auch Sampiero wollte sich nicht damit abfinden udn rief zum Aufstand auf. Tatsächlich kontrollierte er 1564 erneut große Teile der Insel. Seine Ermordung drei Jahre später (im Auftrag der Genueser) beendete jedoch vorerst die Hoffnung auf ein freies, unabhängiges Korsika.

Es sollte bis ins 18. Jh. dauern, bevor die Korsen sich erneut auflehnten. Die Kämpfe gegen genuesische und (von Genua zu Hilfe gerufene) österreichische und französische Truppen dauerten von 1729 bis 1969. Die herausragende Figur dieser Epoche, die als der "Korsische Unabhängigkeitskrieg" in die Geschichte eingehen würde, war der große Freiheitskämpfer Pascal Paoli.

Als sich Korsika 1755 von Genua lossagte, wurde Paoli durch die Insulaner an die Spitze der unabhängigen Korsischen Nation berufen. Unter seiner Regie erhielt Korsika eine demokratische Verfassung. Außerdem wurden Justiz und Verwaltung reformiert, während die Wirtschaft neue Impulse erhielt und in Corte die erste korsische Universität errichtet wurde.

Die Unabhängigkeit dauerte aber nur 14 Jahre, denn 1768 mußte das stark geschwächte Genua seine (auf dem Papier noch existierenden) Rechte an der Insel vertragsgemäß an Frankreich abtreten. Paoli rief daraufhin erneut zum bewaffneten Widerstand auf, wurde aber am 8. Mai 1769 bei Ponte Nuovo vernichtend geschlagen. Paoli ging schließlich ins Exil nach England, während Korsika entgültig Frankreich zugeschlagen wurde. Drei Monate später wurde Napoleon Bonaparte, der wohl berühmteste Korse, in Ajaccio geboren.

Im 19. Jh. war Frankreich bestrebt, die Lebensbedingungen der Korsen zu verbessern. Eisenbahntrassen, Straßen und Hafenanlagen wurden angelegt und Schulen gebaut. Arbeitslosigkeit und Armunt nahmen jedoch eher noch zu und eine dramatische Abwanderungswelle setzte ein.

Der erste Weltkrieg forderte einen besonders hohen Blutzoll - 15.000 korsische Soldaten fielen im Krieg. Als im 2. Weltkrieg ca. 80.000 italienische und 8.000 deutsche Soldaten die Insel besetzten, führte der korsische Widerstand, der sich in die Macchia zurückgezogen hatte, einen erbitterten Kampf. Radikale Gruppen begannen in den 60er Jahren mit Attentaten gegen nichtkorsische Einrichtungen. 1967 wurde "L'Action Régionaliste Corse" (L'ARC) und 1975 die Befreiungsfront "Front de Libération National de la Corse" (FLNC) gegründet. Andererseits erkämpfte sich Korsika auf legalem Weg eine weitgehende Autonomie, die 1990 von Frankreich mit einem Selbstverwaltungsstatut bekräftigt wurde. Korsisch ist heute Unterrichtsfach an der Schule und auch der Lebensstandard der Insulaner hat sich in den letzten Jahrzehnten - nicht zuletzt dank des Tourismus - erheblich verbessert.

Sprache

Die Umgangssprache der Insulaner ist Korsisch, welches auch ein Unterrichtsfach in der Schule ist. Es ist eine eigenständige romanische Sprache, die sich aus dem Urlatein entwickelt hat und keineswegs eine Art abgewandeltes oder importiertes Italienisch, wie man vielleicht dem Klang nach vermuten könnte. Mit der offiziellen Anerkennung des Korsischen wurde eines der Hauptziele der korsischen Autonomiebewegung erreicht. Eine Folge ist unter anderem die allmähliche Ersetzung französischer Ortsnamen durch korsische.

Die Amts- und Verkehrssprache der Insel ist allerdings nach wie vor Französisch, das von allen Korsen ebenfalls fließend gesprochen wird. Daher sind Französischkenntnisse von Vorteil. Sowohl mit Deutsch als auch mit Englisch kommt man auf Korsika, insbesondere im Inland, nicht weit.

Die Korsen

Mit einer Geschichte, die von unzähligen Fremdherrschaften und ständigen Kämpfen geprägt ist, entwickelten sich die Korsen zu einem stolzen Berg- und Hirtenvolk, das eines auf keinen Fall hinnehmen will: die Unfreiheit.

Der Lebensrhythmus der Insulaner wurde jahrtausendelang durch die transhumance bestimmt. Heute praktizieren allerdings nur noch wenige Hirten diesen saisonalen Weidewechsel des Viehs. Um der Sommerhitze zu entfliehen, verlassen sie im Spätfrühling die Küstenebene und treiben ihre Schaf- oder Ziegenherden, oft auch Schweine, Kühe und Esel zu den kühlen Sommerweiden im Gebirge(korsisch: a muntanera). Den Sommer verbringen die Hirten in den bergeries (Schäfereien) - schlichte Steinbauten mit stazzu (Wohnraum, casgile (Raum für die Käseproduktion) und chiostra (eingezäunter Bereich). Erst im Frühherbst kehren Hirten und Vieh zu den Küstenweiden (korsisch: a piagjha) zurück.

Der Weidewechsel erfolgte jahrhundertelang über die gleichen sentiers de transhumance. Heute kaum noch benutzt, sind viele der mit Steinplatten in mühsamer Kleinarbeit angelegten Bergpfade in die korsischen Fernwanderwege eingegliedert worden.

Die Hirten gelten als wortkarge, einfache und gastfreundliche Mensche, die aber auch sehr aufbrausend sein können, wenn sie in ihrer Ehre verletzt werden. Um die Verteidigung der Ehre geht es auch bei der berüchtigten vendetta (korsisch: vindetta), einer brutalen Form der Blutrache, von der in der Vergangenheit fast jede korsische Familie betroffen war. Ständig kämpften Fremdmächte, die die Clans in verschiedene Lager spalteten, um die Insel. Intrigen, Bestechung, Raub und Willkür waren dabei an der Tagesordnung, was die Selbstjustiz förderte. Ihre unerfreuliche Blütezeit erlebten sie währen der genuesischen Periode, als bis zu 900 Menschenleben jährlich (bei nur 120.000 Einwohnern) ermordet wurden.

Auslöser für eine Vendetta gab es viele, meist handelte es sich um Kleinigkeiten. Der Diebstahl eines Hahnes in Poggio-Mezzana kostete 14 Menschen das Leben. Im Dorf Venzolasca mußten in der Folge eines Streits um einen Kastanienbaum 36 Mitglieder der Familien der Sanguinetti und der Paoli sterben! Um der Vendetta zu entgehen, flohen Mörder in die Macchia, wo sie Unterstützung bei den Hirten und Bauern fanden. Zum Überleben beraubten sie die Reichen. So wurden aus Bluträchern Banditen - vom Volk als Rebellen gegen die verhaßte Obrigkeit verehrt und von angesehenen französischen Literaten im 19. Jh. zu Helden hochstilisiert. Zu den begeisterten Lesern solcher Werke wie Honororé de Balzacs "La Vendetta", Prosper Mérimées "Columba" oder Guy de Maupassants "Un Bandit Corse" gehörten - die Banditen selbst.

Quellen

Outdoor-Handbuch "Trans-Korsika - GR 20", Bd. 40, Erik van de Perre, Conrad Stein Verlag, 2000, ISBN 3-89392-140-0
"Columba", Prosper Mérimée, Reclam Verlag, Dietzingen, 1988
"La Vendetta", Honororé de Balzac, Flammarion, 1996